Räuchern, aber richtig! Eine Tradition im Allgäu
Mal ehrlich? Ich dachte, die haben einen Knall, als mir meine Nachbarin dazu riet, unser neu gekauftes Haus zwischen Weihnachten und Silvester mit Salbei auszuräuchern. Eine Freundin erzählte mir kurz darauf, dass sie sich in den Rauhnächten immer ihre Träume notierte. Inzwischen weiß ich, dass es im ganzen europäischen Kulturkreis Bräuche gibt, die sich rund um die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönigstag drehen. Inzwischen – Achtung Cliffhanger – sind sie für mich ein lieb gewordener Brauch.
Hier bei uns im Allgäu wird vor allem das Räuchern praktiziert. Dabei geht ums Abschiednehmen und Loslassen, ums Reinigen und um den Neustart. Dinge also, die zwischen den Jahren durchaus ihre Berechtigung haben. In dieser verrückten Zeit vielleicht mehr denn je…
Räuchern hat neben der spirituellen auch eine reinigende Wirkung. So wirkt das Harz des Weihrauchbaumes tatsächlich desinfizierend und tötet in Form von Rauch und Dämpfen Krankheitskeime ab. Gerüche können das limbische System, also den Ort im Hirn, an dem Gefühle verarbeitet werden, stimulieren. So kann die Räucherei zur Entspannung oder Lösung von Trauer, Schmerz oder Ängsten beitragen.
Wie Räuchern genau funktioniert?
Die meisten die ich kenne nutzen ein hitzebeständiges Gefäss, das mit Sand gefüllt wird. Anschließend wird darauf Räucherkohle platziert und angezündet (Wasserpfeifen-Erfahrene wissen Bescheid: eine Räucherzange lohnt sich, die Kohle kann sehr heiss werden!). Wenn die Kohle durchgeglimmt ist, werden Kräuter, Harze, Hölzer oder Blüten auf der Kohle platziert. Und dann gehts auch schon los: Mit der Schale in der einen und einer Feder in der anderen Hand wird der reinigende Rauch in alle Ecken und Winkeln des Hauses verteilt. Traditionell spricht man beim Verteilen des Rauches Gebete. Man kann aber auch gerne völlig frei sprechen. Die Intentionen fürs neue Jahr aussprechen, das Neue begrüßen und sich vom Alten verabschieden – so wie es sich gut anfühlt. Anschließend lässt man frische und klare Luft durch alle Fenster strömen.
Wann und wie oft man räuchert ist einem dabei selbst überlassen, allerdings sollte immer nur nach Sonnenuntergang geräuchert werden. Ich kenne Familien, in denen wird zu Heilig Abend geräuchert, andere wiederum räuchern an Silvester oder am Dreikönigstag – manche sogar in jeder Nacht. Oftmals wird jede Nacht einem bestimmten Thema gewidmet, dazu nutzt man dann auch die passenden Kräuter. Die vier wichtigsten Rauhnächte sind die Nacht des 21.12. (Thomasnacht), des 24.12. (Christnacht), des 31.12. (Silvesternacht) und des 5.1.
Ein bisschen Kräuterkunde muss sein…
Vom 24. auf den 25. Dezember wird vor allem mit balsamischen Düften wie Weihrauch, Myrrhe, Sandarak und Palo Santo geräuchert. Für die Rauhnächte allgemein empfehlen sich Weihrauch, Myrrhe, Palo Santo, Wachholderbeeren, Fichtennadeln, Sternanis, Kardamom oder Thymian. Oder aber man stellt sich gleich eine eigene Mischung zusammen. Räucherexpertin Christine Fuchs empfiehlt für die Grundreinigung je 1,5 Anteile Salbei, Beifuß, Rosmarin und Thymian mit je einem Teil Echtem Weihrauch, Myrrhe, Wermut und 1/2 Teil Bernstein.
Prinzipiell kann man nach Gefühl oder Geschmack räuchern, empfohlen wird aber, dass an den Weihnachtstagen und am 6.Januar Weihrauch und Myrrhe fester Bestandteil der Räuchermischung sein sollten. Verfeinert werden kann beispielsweise mit Rosenblüten oder Sandelholz.
Im Volksmund wird erzählt, dass man während der Rauhnächte sein Bett nicht im Freien lüften sollte, weil sonst schwere Krankheit drohen könnte. Auch Wäsche sollte nicht gewaschen werden – da halte ich mich sehr gerne sehr penibel daran…
Aberglaube oder nicht – für mich stehen diese Nächte zwischen den Jahren mehr denn je für Abschluss und Neubeginn. Sie sind mir ein lieb gewordener Brauch, der dazu einlädt, inne zu halten und sich bewusst mit sich selbst, seinen Wünschen und Sehnsüchten auseinanderzusetzen. Das Schöne: jeder darf den Brauch für sich selbst so gestalten, wie es passt.
Und jetzt erzählt mal: Habt ihr schon von den Rauhnächten gehört? Oder gehören sie bei euch schon immer zu den Tagen zwischen den Jahren?
Ich wollte das schon immer mal machen und dank Deinem Beitrag gehe ich es dieses Jahr an. Wo bekommt man denn die tollen Kräuter in guter Qualität?
Oh wie schön! Ich kenne den Brauch, dass man in der Rauhnächten 12 Wünsche aufschreibt und dann jeden Abend einen davon verbrannt und hoffentlich geht dann der eine oder andere Wunsch in Erfüllung.
Kannte das bisher nicht. Find es aber sehr spannend und ist eine Umsetzung wert. Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung.